Was war eigentlich in den letzten vier Wochen alles passiert? Es ging Schlag auf Schlag und so richtig verarbeiten konnten wir all die Eindrücke noch nicht.
Es kam also mehr als gelegen, dass Schweden sowie Finnland, um genauer zu sein Lappland nicht mit den zahlreichen landschaftlichen Highlights bzw. der Vielfältigkeit Norwegens mithalten konnte.
Während wir in den vergangenen Wochen schweren Herzens selektieren mussten, welche Gipfel wir erklimmen und an welchen Stränden wir uns sonnen, erwarteten uns ins Lappland ausschließlich wundervolle Seen, endlose Wälder sowie mehr Rentiere als Menschen. Das soll überhaupt nicht despektierlich klingen, denn es war genau das, was wir in diesem Moment brauchten. Entschleunigung.
Unsere Tage sahen daher in der Regel immer gleich aus: Wir schliefen allein an einem wundervollen See, gingen morgens, nachdem wir eine Runde Yoga gemacht haben, baden und erkundeten anschließend die Gegend um uns herum.
Bei den Spaziergängen pflückten wir Beeren für unser Frühstück, wobei uns Eddie heftige Konkurrenz lieferte, und erfreuten uns der Ruhe und Einsamkeit.
Besonders dabei waren sicherlich die Begegnungen mit Rentieren. Natürlich wussten wir, dass es dort oben welche gibt und trotzdem, als wir dann welche entdeckten, freuten wir uns diebisch. Auch eine Elchkuh in freier Wildbahn zu sehen, war etwas ganz Besonders für uns.
So vergingen also die Tage. Wir, eins mit der Natur. Das ging so lange, bis wir feststellten, dass wir nicht ausschließlich von Beeren leben konnten und tatsächlich auch einkaufen mussten. Für den Einkauf besuchten wir Luleå, eine größere Stadt in Schwedisch Lappland. Der Ort gefiel uns leider nicht so gut bzw. er versetzte uns nicht in seinen Bann. Was uns aber gut gefiel, waren die Lebensmittelpreise. Nach den Wochen in Norwegen war es das reinste Paradies einzukaufen. Auch die Auswahl der Fleischersatzprodukte ließ unsere Herzen höherschlagen. In dem dortigen Supermarkt besorgten wir im Übrigen auch alles, was wir für unsere Schweden-Challenge benötigten: Eine Dose Surströmming. Ja, unsere lieben Freunde gaben uns als Aufgabe, diese schwedische Delikatesse zu verspeisen. Wie das ausgesehen hat, könnt ihr hier entdecken.
Der 08.08. – Der Wichtigste Tag des Jahres
Nachdem wir uns von der Challenge wieder erholt hatten, ging es über die Grenze nach Finnland, denn dort wollten wir den wichtigsten Tag des Jahres verbringen: Am achten August findet nämlich alljährlich das Hohe Augsburger Friedensfest statt… und Jessy´s Geburtstag. Für alle, die Jessy nicht bzw. nicht so gut kennen sollten, die Aussage: „Ist doch nur mein Geburtstag“ ist in ihrem Wortschatz nicht existent. So wird bereits eine Woche vor dem achten August die Geburtstagswoche eingeleitet. Ihre unbändige Freude und Erwartungshaltung bezüglich dieses besonderen Tages, bereitete mir in diesem Jahr besonders Kopfzerbrechen und stellte eine fast so große Herausforderung dar, wie Surströmming zu probieren.
Überraschungen zu organisieren, wenn man 24 Stunden am Tag aufeinanderhängt, ist schon schwierig genug, aber wenn man sich dazu noch in einer Gegend befindet, in der es nichts als Seen, Wälder und Rentiere gibt, sind Überraschungen fast ein auswegloses Unterfangen.
Nichtsdestotrotz buchte ich ein kleines Häuschen, mit eigenem Steg und dazugehörigen Boot, in dem wir zwei Nächte verweilten und ihren Geburtstag feierten.
Nachdem wir zuvor über einen Monat in Heins gelebt hatten, genossen wir die Annehmlichkeiten eines Hauses. Obwohl uns, als wir abends ins Bett gehen wollten und unser Blick auf Heins fiel, der friedlich neben uns parkte, doch kurz der Gedanke kam, in diesem zu übernachten.
Der Geburtstag an sich war deutlich ruhiger als die letzten, wahrscheinlich sogar der ruhigste, an den Jessy sich erinnern kann, und dennoch ein sehr schöner Tag. Morgens wurde sie via Zoom von ihren Freundinnen überrascht (eigentlich sollte sie geweckt werden, was aufgrund ihrer Aufregung allerdings nicht möglich war), mittags machten wir einen ausgiebigen Brunch, bevor sie nachmittags die in den letzten Tagen frisch gesammelte Energie heraustanzte.
Abgerundet wurde der Abend mit Stockbrot und Marshmallows.
Die letzte Skandinavien-Wanderung
Als Geschenk ihrer Freundinnen erhielt Jessy übrigens, auch ganz zu meiner Freude, einen Gutschein für ein Restaurant in Helsinki, dem Yes Yes Yes.
Bevor wir allerdings Helsinki einen Besuch abstatteten, wartete noch eine Wanderung im Koli National Park auf uns. Der Koli National Park liegt an der Grenze zu Russland und stellt somit den östlichsten Punkt unserer bisherigen Reise dar. Begleitet wurden wir bei dieser Wanderung von heftigem Nebel und ununterbrochenem Regen. Daher wird dieser Trip auch eher insofern in Erinnerung bleiben, dass wir einfach froh waren, uns nach den paar Tagen Faulenzerei im Haus, endlich wieder mehr bewegt zu haben. Dennoch war es etwas schade, dass wir von der grandiosen Aussicht, die der Trail versprach, kaum etwas vernehmen konnten. Umso schöner war es dann aber, als kurz bevor wir zurück zum Parkplatz kamen, der Himmel aufzog und wir einen überwältigenden Blick auf die finnische Seenplatte erhaschen konnten.
Durchnässt und dennoch glücklich begaben wir uns anschließend auf den Weg nach Helsinki. Dort sollte am nächsten Abend die Fähre nach Tallinn gehen.
Helsinki an sich holte uns nicht sofort ab. Irgendwie verhielt es sich mit der Stadt gleichermaßen wie mit dem gesamten Land: Schön, aber dennoch nichts Besonderes.
So zumindest der erste Eindruck, den wir von Helsinki hatten. Beim zweiten Blick, wie eben auch in gesamt Finnland, gefiel uns die Stadt aber deutlich besser. Es ist äußerst schwierig diesen Vibe in Stadt und Land in Worte zu fassen. Um Finnland wirklich lieben zu lernen, bedarf es vermutlich einfach einer längeren Zeit. Man muss sich auf die Weite einstellen, mit der Wortkargheit der Finnen zu Recht kommen und lernen, dass eben alles etwas ruhiger von statten geht.
Dennoch hatten wir eine sehr schöne Zeit in Finnland bzw. in Lappland, die mit einem Viergänge-Menü im Yes Yes Yes gebührend abgeschlossen wurde.
Immer wieder diese Fähren
Um genau zu sein endete die Zeit eigentlich mit unserer Fährüberfahrt nach Tallinn und die gestaltete sich als komplizierter als gedacht. Nun ja, nicht die Überfahrt bereitete Probleme, sondern die Buchung. Jetzt, wo ich das gerade schreibe, fällt mir im Übrigen auf, dass ich mit Fährüberfahrten anscheinend generell so meine Schwierigkeiten habe. Schließlich ist das nicht die erste Geschichte, in der eine Fähre auftaucht. Nun aber zurück zur Sache.
Um den Tag in Helsinki planen zu können, schaute ich am Morgen des Abfahrttages, von wo genau die Fähre ablegte. Wir hatten im Yes Yes Yes einen Tisch zu 18:00 Uhr bestellt und unsere Fähre fuhr 20:30 Uhr. Boarding war demzufolge um 19:30 Uhr. Das Restaurant war nicht weit weg und dennoch rief mir dieses knappe Zeitfenster einige Schweißtropfen hervor. Viel mehr erschreckte mich allerdings, dass auf unserem digitalen Ticket folgende Buchung aufgeführt war: 2x Passagiere, 1x Hund und 0x Autos. Kein Auto? Ich hatte mich scheinbar zu früh über den günstigen Preis bei der Buchung gefreut, denn ich hatte Heins nicht angegeben. Zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, dass ich ihn nicht vergessen hatte, sondern er irgendwie bei den zahlreichen Klicks rausgerutscht war. Klingt blöd, war es letztendlich auch.
So oder so konnte die Buchung nur bis zu 24 Stunden vorher geändert werden. Da das für uns nicht mehr möglich war, war unsere erste Anlaufstelle in Helsinki das Fährterminal. Dort erfuhren wir, dass die Fähre ausgebucht war, aber in der Regel dennoch Platz für weitere Autos sei. Man sollte nur rechtzeitig vor Beginn des Boarding erscheinen und sich auf die Warteliste setzen lassen.
Wir entschieden uns, die Reservierung des Tisches um eine halbe Stunde vorzuverlegen, um somit das Zeitfenster zu erhöhen. Natürlich kamen wir dennoch erst gegen 19:40 am Terminal an und waren gehörten somit zu den Letzten, die überhaupt eincheckten. Da wir allerdings scheinbar die Einzigen waren, die kurzfristig mit einem Fahrzeug reisen wollten, kamen wir ohne weitere Probleme an Board. Aufregend war es trotzdem.
Oben am Deck, mit Blick auf die untergehende Sonne, befiel uns dann so etwas wie Melancholie. Das war er nun. Der Hohe Norden.
Wenn man das Gefühl beschreiben soll, welches wir in diesem Moment empfanden, würde wahrscheinlich „Dankbarkeit“ am ehesten zutreffen.
Dankbarkeit, für die Möglichkeit bzw. das Privileg überhaupt reisen zu können und Dankbarkeit dafür, dass wir die Entscheidung getroffen haben, loszuziehen.
So standen wir nun dort oben, ließen alles Erlebte Revue passieren und freuten uns gleichermaßen auf alles, was uns noch erwarten wird und so langsam sickerte es nach knapp anderthalb Monaten reisen dann doch durch: Das ist unser neues Leben.
Jessy, Flori & Eddie
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