Nach einigen schönen Tagen in der Normandie folgte das eigentliche Highlight unseres Aufenthalts im Norden Frankreichs:
Unsere Freunde Laura und Torben kamen zu Besuch bzw. bereisten Anfang September ebenfalls das Land. Vor unserer Abfahrt im Juli war noch nicht endgültig geklärt, ob sie sich für eine Reise durch Frankreich entscheiden würden, doch wir lieferten natürlich zahlreiche Argumente, die einen dortigen Urlaub unabdingbar machten.
Uns haben diese gemeinsamen Tage unfassbar viel bedeutet, da wir im Vorfeld unserer Reise die Hoffnung hegten, dass uns Freunde und Familie entlang der Route besuchen kommen und wir einen Teil des Weges gemeinsam gehen können, um somit gemeinsame Erinnerungen schaffen zu können. Leider haben wir das in unserem bisherigen Leben viel zu wenig geschafft. Daher waren wir umso glücklicher, dass es mit Laura und Torben geklappt hat.
Für unsere gemeinsame Zeit mieteten wir uns ein wunderschönes Ferienhaus in der Region rund um Lannion; um genau zu sein in Port Blanc.
Das Haus war nicht nur mit allen möglichen Spielereien, wie Fahrrädern, SUP´s oder Kanus ausgestattet; nein, es hatte auch noch unmittelbaren Strandzugang. Und als wäre das nicht schon alles schön genug, wartete im Wohnzimmer ein Tischkicker auf uns. Das Abendprogramm war somit mehr als gesichert.
In den Tag starteten wir mit einer ausgiebigen Yoga-Session am Strand, bevor wir – in diesem Fall Torben und ich (Jessy und Laura hingen oftmals noch eine Foto-Session heran) – uns um das Frühstück kümmerten.
Nach dem Frühstück machten wir an einem Tag eine Fahrradtour, an dem anderen Tag besuchten wir Lannion und wiederum an einen anderen Tag unternahmen wir eine kleine Küstenwanderung.
Anschließend bereiteten wir gemeinsam das Abendessen zu, bevor es hieß: Es gibt keine Pärchen mehr! Ab jetzt heißt es Männer vs. Frauen! Wir kickerten jeden Abend bis spät in die Nacht, wobei wir Männer in der Regel die Oberhand behielten. Dazu sei gesagt, dass es beeindruckend war, wie viel Ehrgeiz Jessy und Laura an den Tag bzw. in die Nacht legten. Sie gaben einfach nicht auf! Und nach ca. 30 Partien, viel Bier und einigen Gläsern Wein war es dann endlich so weit: Der harte Kampf zahlte sich aus und die beiden konnten ein Match für sich entscheiden. Die Freude war selbstverständlich grenzenlos und dementsprechend lautstark wurde der Sieg auch zelebriert.
Was die Mädels zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, war, dass ich bereits stark eingeschränkt spielte und somit nicht meine volle Leistungsbereitschaft abrufen konnte.
Natürlich ist das in diesem Kontext nur als Spaß zu verstehen, aber tatsächlich hatte ich seitdem wir Deutschland verlassen hatten, also seit ca. einer Woche Schmerzen in der seitlichen Bauchmuskulatur. Ich schlief nicht sonderlich gut und mein Bewegungsradius war durch die Schmerzen entsprechend eingeschränkt. Da ich dachte, dass es sich um eine Bauchmuskelzerrung handelte, versuchte ich mit Wärme, Dehnung und Schmerztabletten entgegenzuwirken. Der Erfolg blieb leider aus.
Ich vereinbarte also mit Jessy, dass ich, wenn es während des Aufenthalts im Ferienhaus nicht besser werden würde, anschließend einen Arzt aufsuche.
So kam es dann auch.
Nach fünf wunderschönen und intensiven Tagen verabschiedeten wir uns schweren Herzens von Laura und Torben und gingen wieder getrennte Wege. Die beiden setzten ihre Reise Richtung Normandie fort, wogegen es uns nach Rennes zog.
Zunächst wollten wir einen Allgemeinarzt aufsuchen, aber nach einem Telefonat mit einem Freund, der mich darauf aufmerksam machte, dass in dem Bereich meiner Schmerzen auch der Blinddarm säße, dachte ich mir, dass es wohl besser wäre, ein Krankenhaus aufzusuchen.
Wie sich im Nachhinein herausstellte, war die Entscheidung goldrichtig.
Nachdem ich mich von Jessy und Eddie verabschiedet hatte, stürzte ich mich ins Abenteuer. Ich ging zur Notaufnahme, meldete mich an und wartete. Bereits bei der Anmeldung wurde einmal mehr deutlich, wie schwer sich die Franzosen damit tun, englisch zu sprechen. Bei der Croissant-Bestellung in einer Bäckerei oder wenn man Einheimische nach dem Weg fragt, mag das aufregend sein, aber wenn man sich in einer Notaufnahme befindet, gibt das einem ein eher unbehagliches Gefühl.
Der Arzt, der mich zuerst untersuchte, nutzte zur Verständigung im Gegensatz zur Empfangsdame immerhin Google Translate, was die ganze Sache deutlich vereinfachte.
Nach der Erstaufnahme hieß es wieder warten. Anschließend folgte eine weitere Untersuchung, bei der mir einmal in meinen Bauch gedrückt und Blut abgenommen wurde. Dabei wurde ausschließlich französisch mit mir gesprochen.
Danach wurde ich zum Ultraschall geschickt. Die dort behandelnde Ärztin sprach zum Glück englisch und konnte mir die Diagnose einigermaßen erklären. Sie bestätigte meine Vermutung, dass es sich um eine Blinddarmentzündung handelte, verwies aber gleichzeitig darauf, dass dies nicht zwingend eine Operation nach sich ziehen müsse. Diese Entscheidung hinge von den Blutergebnissen ab und treffe der behandelnde Arzt.
Mit dieser Information machte ich mich auf zu Jessy. Sofort füllten sich ihre Augen mit Tränen, was wir in diesem Moment natürlich gar nicht gebrauchen konnten. Ich sagte ihr, dass sie jetzt taff sein müsse und dass letztendlich noch gar keine Entscheidung getroffen sei.
Sie riss sich zusammen und funktionierte. Wir mussten uns schließlich noch überlegen, wo sie für den Falle einer Operation schliefe. Schließlich war es schon weit nach 18 Uhr. Während wir überlegten und abwogen, merkte ich, dass ich das letzte Mal um 10 Uhr was gegessen hatte. Hunger überkam mich. Glücklicherweise hatten wir noch Brötchen dabei. Als ich das erste Mal abbiss, sah ich aus dem Krankenhaus eine der Ärztinnen, die mich untersucht hatte, kommen. Sie erblickte mich und wedelte wild gestikulierend mit den Armen. Ich erschrak, rannte zu ihr hinüber und schlang währenddessen den Rest des Brötchens hinunter. Sie schaute mich völlig entgeistert an. Ich dürfe doch nicht laufen und schon gar nicht dürfe ich etwas essen. Schließlich würde ich in der nächsten Stunde operiert werden.
Ich sollte ihr folgen und ab diesen Moment ging alles ganz schnell. Ich konnte noch mit der Versicherung telefonieren und alles klären sowie Jessy eine Nachricht schicken, dass es nun losging. Ca. 19:30 Uhr lag ich bereits auf dem Operationstisch. Dort wurde ich dann das erste Mal darüber informiert, was wirklich los war. Der Arzt erklärte mir, dass ein großes Stück des Blinddarms entzündet sei und die Operation deswegen so schnell erfolgen musste. Schon kurz danach hieß es: „It´s time to sleep now.“
Als ich erwachte, galt mein erster Gedanke Jessy und Eddie. Wir konnten gar nicht final klären, wie die beiden nun die Nacht verbrachten. Umso glücklicher war ich, als ich mein Handy wiederhatte und die Nachricht erhielt, dass alles gut sei.
Für Jessy war die gesamte Zeit natürlich besonders hart. Zunächst die Ungewissheit und dann ließ ich sie auch noch einfach auf dem Parkplatz stehen, nur um ihr kurze Zeit später eine Nachricht zu schreiben, dass ich in Kürze operiert werde. Aber sie war stark und meisterte die Situation. Dass sie den Moment so tapfer durchgestanden hat, macht mich noch immer sehr stolz. Die beiden schliefen übrigens auf dem Krankhausparkplatz. Vanlife eben.
Am nächsten Morgen durfte sie mich dann besuchen, was abermals aufgrund der Sprachprobleme in einem Abenteuer endete.
Zunächst war es gar nicht so einfach mich zu finden. Ich wusste nur meine Zimmernummer, hatte aber natürlich keine Ahnung, wo ich mich genau befand. In der Notaufnahme, wo Jessy sich meldete, weil ich da ja schließlich verschwunden war, verstand man sie nicht bzw. konnte ihr ebenfalls nicht gesagt werden, wo sie mich finden konnte. Nach langem Hin und Her wurde ihr dann gesagt, dass sie es bei einem anderen Eingang probieren sollte. Dort angekommen wurde ihr wiederum mitgeteilt, dass es keinen „Monsieur“ Zemlin gäbe. Jessy, der Verzweiflung nahe, zeigte noch einmal die Zimmernummer und endlich konnte ihr geholfen werden.
Die Freude meinerseits war natürlich riesig. Jessy bekam dagegen, unmittelbar nach dem sie mich endlich gefunden hatte, ein Kreislaufzusammenbruch. Schweißausbrüche, Schwindel, Zittern… das volle Programm. Gerade als sie zu Boden sank, ging die Tür auf und der Arzt, der mich operierte, kam zur Visite hinein. Da ich bereits saß, schaute er mich verwundert an. Dann erblickte er Jessy und war völlig entgeistert.
„Sie dürfen hier nicht sein. Wir haben Corona! Warum sitzen sie eigentlich auf dem Boden? Geht es Ihnen nicht gut?“
So ungefähr fiel die Begrüßung aus. Er rief einen Pfleger herbei, der sich um Jessy kümmerte. Sie bekam etwas zu essen und einen Tee serviert. Danach ging es ihr schon langsam besser.
Nachdem Jessy versorgt war, kümmerte sich der Doktor um mich. Letztendlich bestätigte er nochmals, dass ich Glück hatte und die Operation dringend nötig war. Außerdem stellte er mir frei, wann ich das Krankenhaus verlassen möchte. Beim Blick auf Jessy, waren die Schmerzen nur noch halb so stark und ich versicherte ihm, dass ich sofort aufbrechen kann.
Er schaute uns zweifelnd an, willigte aber letztlich ein. Voraussetzung war, dass wir uns eine Bleibe suchten, in der ich mich richtig erholen kann. Außerdem sollte ich noch das Mittagessen abwarten.
Wir hielten uns an die Vorgaben und machten uns somit nach dem Essen auf dem Weg zu unserer neuen Behausung.
Das Kapitel „Krankenhaus“ ist damit abgeschlossen. Ich würde dem Arzt zustimmen und ebenfalls sagen, dass ich aus der Nummer glimpflich herausgekommen bin. Wenn man bedenkt, wie viel wir vorher unternommen haben, hätte die Geschichte auch anders ausgehen können.
Außerdem sei abschließend noch gesagt, dass sich im Krankenhaus sehr gut um mich gekümmert wurde und ich mich daher trotz der sprachlichen Barrieren sehr gut aufgehoben gefühlte habe, so dass für mich letztendlich alles nur halb so schlimm war.
Die schlimme bzw. in erster Linie nervige Zeit setzte erst nach dem Krankenhausaufenthalt ein.
Gemeint ist natürlich die Zeit der Erholung. Doch dazu mehr in unserem nächsten Beitrag.
Jessy, Flori & Eddie
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