Solltet ihr den letzten Beitrag gelesen haben, wisst ihr vielleicht, dass wir uns nach fünf schönen Tagen mit unseren Freunden Laura und Torben in einem Ferienhaus noch etwas gedulden mussten, bevor wir wieder mit Heins die Straßen unsicher machen konnten.
Ich musste mich nach meiner Blinddarmoperation erholen, was im Van nur schwer vorstellbar war.
Daher suchten wir eifrig nach einer passenden Unterkunft, was sich so kurzfristig natürlich als sehr anspruchsvoll erwies. Doch glücklicherweise fanden wir vor den Toren Rennes´ eine charmante Bleibe in einem noch charmanteren Ort.
Die nur 660 Einwohner zählende Kleinstadt Bécherel wurde für die nächsten fünf Tage zu unserem zu Hause.
Mit Bécherel haben wir einen wahren Glückstreffer gelandet.
Als Jessy am ersten Nachmittag unseres Aufenthalts mit Eddie eine kleine Runde drehte, erahnte sie bereits, dass wir an einem außergewöhnlichen Ort gelandet waren.
Und tatsächlich trägt Bécherel den Beinamen „Stadt der Bücher“, was auf die zahlreichen Buchhandlungen zurückzuführen ist.
Auf die 660 Einwohner des Ortes kommen 16 Buchhandlungen sowie 13 Ateliers. Dieser Umstand gepaart mit dem gut erhaltenen mittelalterlichen Altstadtkern verleihen Bécherel ein ganz besonderes Flair.
Die erste Zeit hatte ich davon allerdings wenig. Ich lag flach und konnte mich kaum bewegen. Ganz im Gegenteil zu Jessy: Wenn sie sich nicht gerade um mich kümmerte, nutzte sie den Platz des Ferienhauses und ließ fleißig die Hüften schwingen. Ihre Pflege in Verbindung mit der Fröhlichkeit, die sie ausstrahlte, ermöglichte es, dass wir bereits drei Tage nach der Operation einen schönen Spaziergang machen konnten und ich den Ort ebenfalls zu Gesicht bekam. Was meine Heilung weiterhin vorantrieb, waren Lauren und Torben. Die beiden weilten noch immer in Frankreich und ließen es sich nicht nehmen, mir einen Krankenbesuch abzustatten. Wie schön ist es doch, solche Freunde zu haben.
Meine Wunden heilten ordnungsgemäß, die Schmerzen wurden geringer und unsere Spaziergänge demzufolge immer länger. Somit fing auch ich an, mich in dieses Örtchen zu verlieben. Ganz um mich geschehen, war es dann am Sonntag. Sonntag war so eine Art Markttag, in der alle Buchhandlungen und Ateliers draußen vor ihren Läden Stände aufbauten und ihre „Waren“ anboten.
Die Stadt war voller Menschen und strotze nur so vor Lebensfreude. Wir genehmigten uns einen Kaffee und ein Stück Kuchen und beobachteten das bunte Treiben.
Nachdem wir uns von dieser wohligen Atmosphäre lösen konnten und zurück zu unserer Unterkunft kamen, wurden wir sogar noch von sanften Klavierklängen willkommen geheißen. Pierre, unser Host, ist ein begnadeter Klavierspieler und übte sich gerade – ganz zur Freude Jessy´s – an „The Greatest Showman“.
Mit sinkenden Schmerzen, stieg allerdings auch meine Ungeduld. Ich wollte wieder losziehen und die Straßen unsicher machen.
Glücklicherweise ließ mein Zustand es zu, dass wir nach fünf Nächten dann auch wieder aufbrechen konnten.
Also: Back to Vanlife!
Nun ja, ganz so einfach lief es leider nicht. Uns machte nicht nur zu schaffen, dass ich noch immer etwas eingeschränkt war und mir von Jessy nicht helfen lassen wollte, sondern auch, dass wir bereits wieder vergessen hatten, wie anstrengend eine Stellplatzsuche sein kann.
Unser erster Stopp war die Hafenstadt Saint-Malo, welche unglaublich schön aber eben auch genauso überlaufen ist. Daher verbrachten wir die ersten zwei Stunden in dem Ort damit, einen geeigneten Schlafplatz zu finden.
Der anschließende Stadtbummel war dann ebenfalls geprägt von Staunen und Unmut: Staunen beispielsweise über die komplett erhaltene Burg im Zentrum der Stadt. Unmut dagegen über die vielen Menschen, die ebenfalls über die Burg staunten.
Ja genau, da beißt sich die Katze in den Schwanz!
Rückblickend kann festgehalten werden, dass Saint-Malo uns nicht verzaubert hat, aber nicht, weil die Stadt nicht sehenswert ist. Ganz im Gegenteil: Saint-Malo ist wunderschön. Die Burg mit den riesigen Mauern ist beeindruckend. Hinzu kommt türkisblaues Wasser, ein weiter Sandstrand sowie eine Promenade, an der ein Haus schöner ist als das andere.
Wir waren an dem Tag bzw. an den zwei Tagen einfach nicht bereit für diesen Ort.
Zumal wir noch ein weiteres Problem zu lösen hatten: Mir mussten noch die Fäden gezogen werden.
Als ich das Krankenhaus verließ, erklärte mir der Arzt kurz, dass ich eine „Nurse“ zum Fäden ziehen aufsuchen musste.
Wir dachten, dass damit eine Arzthelferin bzw. ein Arzthelfer gemeint waren und hinterfragten die Aussage nicht weiter.
Als wir allerdings nach Arztpraxen suchten, fiel uns auf, dass es in Saint-Malo keinen Allgemeinarzt in der Form gab, wie wir ihn kennen. Demzufolge fragte ich in einer Apotheke nach einer „Nurse“. Dort bekam ich erklärt, dass es in Frankreich praktizierende Krankenschwestern gibt, die zu den Patienten nach Hause fahren und sie dort behandeln. Ich bekam eine Liste dieser Schwestern mit ca. 150 Telefonnummern.
Ok, ich musste also nicht nur telefonisch einen Termin vereinbaren, sondern auch noch erklären, dass wir keinen Wohnsitz haben und all das in Frankreich, wo kaum jemand englisch spricht.
Die Telefonate brachten uns wirklich zur Verzweiflung. Entweder nahm niemand ab oder man verstand mich nicht. Zwischenzeitlich hatte ich bereits auf YouTube geschaut, wie man sich selbst die Fäden ziehen kann.
Glücklicherweise konnte ich nach zahlreichen Anläufen schlussendlich doch noch einen Termin vereinbaren. Die Schwester schickte mir eine Adresse und eine Uhrzeit, wo und wann ich am nächsten Tag eintreffen sollte.
Sie zog mir die Fäden, schaute sich die Wunden an und bestätigte mir, dass alles in Ordnung sei.
Das Kapitel Blinddarmentzündung ist somit endgültig abgeschlossen und unsere Frankreichreise startete mit dem Verlassen Saint-Malos erst so richtig.
Jessy, Flori & Eddie
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