Nach sechs Wochen in Frankreich haben wir endlich geschafft die spanisch-französische Grenze bei Hendaye zu überqueren. Weit sind wir allerdings nicht gekommen.
Jean-Marc und Francoise, unsere Boule-Kontrahenten, haben uns geraten, unbedingt in Hondarribia vorbeizuschauen.
Ursprünglich wollten wir nur einen kleinen Abstecher dorthin machen und weiterfahren, aber uns hat es so gut gefallen, dass wir ganze vier Nächte dort verbrachten.
Der Ort liegt nördlich von Hendaye an der Mündung des Bidasoa, dem Grenzgewässer zwischen Frankreich und Spanien. Neben einem schönen Strand ist es in erster Linie die historische Altstadt, die Hondarribia so besonders machen. Die komplett erhaltene Stadtmauer umschließt einen wunderschönen Altstadtkern.
Besonders amüsant war an dem Ort bzw. an dem Grenzübertritt, dass Jessy felsenfest davon überzeugt war, dass es direkt anders roch als noch vor 15 km auf der französischen Seite. Ich war mir diesbezüglich nicht ganz so sicher, habe aber auch definitiv sofort gespürt, dass man in einem anderen Land war. Zum einem lag das natürlich an der Sprache, aber zum anderen auch an dem Gefühl, was einem die Menschen gaben. So kam es uns beispielsweise so vor, als wären die Spanier etwas reservierter als zuvor noch die Franzosen.
Nichtsdestotrotz war die Zeit in Hondarribia enorm erholsam. Wir genossen es, durch die schöne Altstadt zu schlendern und erfreuten uns an den farbenfrohen Fachwerkhäusern. Wir genossen es, am Strand zu liegen, zu lesen und ein wenig Sport zu treiben. Aber vor allem genossen wir es, den Spaniern beim Leben zuzuschauen. Gerade am Wochenende war gefühlt die ganze Stadt auf den Beinen und genoss das schöne Wetter. Die Außenbereiche der zahlreichen Cafés und Restaurants waren gut gefüllt, an der Promenade wichen Jogger den flanierenden Spaziergängern aus und am Strand öffneten Liebespärchen schon am Nachmittag die ersten Flaschen Wein.
Hondarribia war einfach gefüllt mit Leben.
Nach vier Nächten hieß es dann für uns allerdings aufbrechen, denn wir hatten ein Date.
Caro, Jessy´s Freundin aus der Heimat, verbrachte ihren Urlaub in Spanien und kam uns für fünf Tage besuchen.
Für diesen Anlass genehmigten wir uns nach nun anderthalb Monaten in Heins mal wieder eine Ferienwohnung, die uns allerdings von Jessy´s Mutter spendiert wurde, denn wie der Zufalls es wollte, zogen wir am Tag der Anreise genau diese „Überraschung“.
Ihr fragt euch sicherlich, wovon ich rede. Dafür muss ich ein klein wenig zurückgehen, und zwar zurück zu unserem kurzen Zwischenstopp in Deutschland.
Am Tag der Abreise überreichte uns Jessy´s Mama einen Beutel mit der Aufforderung, jeden Montag dort reinzugreifen und eine Überraschung zu ziehen.
In dem Beutel waren kleine Geldpräsente zu den unterschiedlichsten Anlässen verstaut. Den einen Montag zogen wir einen Taler für Obst und Gemüse, den anderen Montag zogen wir eine Kleinigkeit für Eddie und wieder an einem anderen Montag zogen wir gar Taschengeld für einen Restaurantbesuch. Jessy´s Mutter war mit den Aufmerksamkeiten sehr kreativ und so war es für uns jeden Montag immer wieder eine Freude, in den kleinen Beutel zu fassen und ein Präsent zu ziehen.
Am Tag von Caros Besuch zogen wir auf jeden Fall „für eine Hotelübernachtung“ und der dort hinterlegte Betrag reichte fast für die komplette Ferienwohnung, die wir uns mieteten. Welch schöne Überraschung…
Nun aber zu Caros Besuch. Die Ferienwohnung, die wir uns mieteten, lag in der Hauptstadt Kantabriens; in Santander. Doch bevor wir dort einkehrten, statteten wir noch Bilbao einen Besuch ab. Dort holten wir Caro vom Bahnhof ab und bummelten den ganzen Nachmittag durch die Straßen.
Jessy und ich waren bereits vor einigen Jahren in Bilbao und fanden die Stadt äußerst sehenswert und der Eindruck von damals bestätigte sich auch bei dem diesjährigen Besuch.
Rund um das weltbekannte Guggenheim Museum hat sich eine prächtige Flaniermeile entwickelt, auf der das Leben pulsiert und auch die Altstadt rund um die Kathedrale von Bilbao kann sich sehen lassen.
Doch unser Highlight war nicht ein Museumsbesuch oder Gebet in der Kathedrale, sondern das Wiedersehen mit zwei neu gewonnenen Freunden.
Wie der Zufall es wollte, war unser holländisches Lieblingspärchen ebenfalls in Bilbao. Dennis und Sophie hatten sich ebenfalls eine Ferienwohnung gemietet. Allerdings war der Anlass eher weniger erfreulich. Sophies Wohnmobil war bereits seit einer Woche in einer französischen Werkstatt und dementsprechend nicht fahrtüchtig. Aufgrund des gehobenen Alters ihres Gefährts war es der Werkstatt nicht möglich, passende Ersatzteile zu finden. Auch so kann es gehen. Nach zwei Monaten war Sophies Traum vom Vanlife bereits wieder ausgeträumt. Noch heute (Stand 31.01.2022) wartet sie darauf – allerdings im heimischen Amsterdam – , dass sie losfahren kann. Wir drücken ihr auf jeden Fall die Daumen, dass sie ihren Traum noch verwirklichen kann und sind gleichzeitig unendlich dankbar dafür, dass Heins so gut durchhält (Klopf auf Holz).
In Bilbao genossen wir allerdings noch ein paar gemeinsame Stunden mit den beiden, bevor wir uns dann auf den Weg in unsere Wohnung nach Santander machten.
Über Santander selbst gibt es nicht viel zu berichten. Die Stadt ist okay, wird uns aber nicht als Schönheit in Erinnerung bleiben.
Besonders wurde der Aufenthalt erst durch die schöne gemeinsame Zeit mit Caro, in der wir nicht nur viele tiefe Gespräche über das Leben führten, sondern auch enorm viel aßen. Caro, die eine Zeit lang in Madrid lebte, wusste welche Churros gut sind (in unseren Augen alle), welche Tapas wir probieren mussten und welches Bier besonders lecker ist. So probierten wir uns durch die zahlreichen Cafés, Bars und Restaurants Santanders und genossen die unzähligen Leckereien.
Zu unserer Ehrenrettung sei noch gesagt, dass wir jeden Morgen Sport trieben und gegen die am Vorabend angefressen Pfunde ankämpften.
Nach fünf wundervollen Tagen hieß es dann wieder Abschied nehmen. Caro machte sich auf in Richtung Madrid und wir in Richtung… Ja, wohin denn eigentlich?
Einen Plan hatten wir nicht. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt lediglich, dass wir noch eine Woche Zeit hatten, den Norden Portugals zu erreichen, denn dort wartete das nächste große Kapital unserer Reise auf uns. Doch dazu mehr im nächsten Beitrag.
Wir beschlossen weiter Richtung Westen zu fahren und uns erstmal von dem Abenteuer „Großstadt“ zu erholen. Glücklicherweise fanden wir einmal mehr einen perfekten Stellplatz am Rande des Atlantiks, der uns genau diese erhoffte Ruhe brachte. Wir gönnten uns einen kompletten Faulenzertag, an dem wir einfach mal gar nichts machten. Nun ja, gar nichts, ist nicht ganz korrekt.
Wir fanden beim Spaziergang mit Eddie ein angespültes Seil, an dem Jessy ihre Makrameekünste anwendete und es zu einem gewaltigen Netz verwandelte, welches wir zum Müll sammeln nutzten.
So viel Freunde uns unsere Stellplätze an den Stränden des Atlantiks immer wieder bereiten, so gleichermaßen schmerzt es auch, jeden Tag vor Augen geführt zu bekommen, wie zugemüllt unsere Meere doch sind. Unser Netz war dementsprechend nach fünf Minuten Müll sammeln bereits voll. Jeder bzw. jede Einzelne ist sich dieser Problematik sicherlich bewusst, aber solche Bilder bzw. Aktionen prägen sich ein und werden uns hoffentlich weiterhin in unserem zukünftigen Alltag abseits des Atlantiks begleiten, zum Nachdenken anregen und unser Handeln beeinflussen.
Unser nächster Halt war dann das sehenswerte San Vicente de la Barquera. Den Ort besuchten wir nun ebenfalls zum zweiten Mal, aber im Gegensatz zu unserem ersten Abstecher reisten wir dieses Mal außerhalb der Saison an. Ende Oktober war der Ort relativ leer und umso schöner. Wir wollten dort in erster Linie surfen, doch unabhängig vom Wellen-Forecast, der nicht die allerbesten Bedingungen voraussagte, hatten wir nicht die allergrößte Lust ins Wasser zu gehen. Wir waren nun seit acht Wochen ununterbrochen am Meer unterwegs und sehnten uns nach Abwechslung.
Als wir dann die schneebedeckten Berge im Hinterland von San Vicente de la Barquera erblickten, konnten wir unser Glück und den Luxus, den wir gerade erleben, kaum glauben.
Eine knappe Stunde Fahrt von uns warteten die Picos de Europa auf uns.
Wir schliefen eine Nacht in San Vicente und machten uns am darauffolgenden Tag auf den Weg. Es war schlichtweg absurd, dass wir nach einer 15-minütigen Fahrt vom Atlantikstrand bereits die Ausläufer der Picos erreichten und nach 45 weiteren Minuten mittendrin in einem bis zu 2.400 m hohen Gebirge waren.
Wir schauten uns den kleinen Ort Potes an und genossen es sehr, wieder Berge um uns herumzuhaben. Für den nächsten Morgen planten wir dann zum Sonnenaufgang einen Gipfel zu erklimmen.
Wir schliefen auf einen Parkplatz, der gleichzeitig Ausgangspunkt für unsere Wanderung war. Ausgestattet mit Tee und Kaffee, geschmierten Broten sowie reichlich Obst und Gemüse machten wir uns um halb sieben auf den Weg Richtung Gipfel. Die Sonne sollte gegen um acht Uhr aufgehen. Vorab sei gesagt, dass wir nicht rechtzeitig zum Sonnenaufgang den Gipfel erreichten, was allerdings überhaupt nicht schlimm war.
Es war so unfassbar belebend den heranbrechenden Tag hautnah mitzuerleben. Als wir starteten, umgab uns dichter Nebel und trotz unser Stirnlampen konnten wir kaum zehn Meter weit blicken. Wir hörten dadurch allerdings umso intensiver, wie das Waldstück, welches wir gerade durchquerten zum Leben erwachte.
Und irgendwann war es dann so weit: Kurz nachdem wir die Baumgrenze überquert hatten, wich der Nebel den ersten Sonnenstrahlen des Tages. Einfach wunderschön.
Und auch so war die Wanderung äußerst ereignisreich. Wir stampften durch sumpfigen Untergrund, schlugen uns mit wilden Beerensträuchern herum und mussten hoch zum Gipfel auf allen vieren kriechen. Aber diese Herausforderungen stellten nicht die größte Unwegsamkeit dar. Diese stand auf der Weide und hatte vier Beine. Kühe.
Die riesigen Wiederkäuer versperrten uns bei jeder Gelegenheit den Weg und wir mussten somit all unseren Mut zusammennehmen, um an ihnen vorbeizukommen. Ok, meistens lagen sie kauend herum und schauten lediglich verwundert hoch, dass sich um diese Zeit Menschen zu ihnen verirrten. Aber dennoch: Gefährlich waren sie allemal!
Glücklicherweise ist alles gut ausgegangen und gegen 10:30 Uhr erreichten wir den Gipfel. Dort angekommen, frühstückten wir erst einmal ausgiebig und sinnierten darüber, welch erfülltes Leben wir gerade führen dürfen. Der Gedanke, dass wir noch vor einem Tag am Meer aufwachten und nun hoch auf einem Gipfel der Picos in die Ferne blickten, ließ unsere Herzen höherschlagen. Wir können frei entscheiden, was wir tun und das ist der größte Luxus, den man sich wünschen kann.
Bereits zwei Tage später saß ich am westlichen Ende Spaniens in Arnados auf meinem Surfboard und blickte vom Wasser aus auf den weitläufigen Strand. Jessy rollte gerade ihr Yogamatte aus, während sich Eddie neben ihr mit der Nase nach unten davonschlich. Welch schönes Bild…
Ja, uns geht es definitiv gut.
Jessy, Flori & Eddie
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