Während es im ersten Monat unseres Aufenthalts rauf und runter ging, kehrte im zweiten Abschnitt Ruhe ein. Weihnachten stand vor der Tür und auch im Janga Wonderland ging es besinnlicher zu.
Wir tranken deutschen Glühwein, aßen Stollen, hörten Weihnachtslieder und schauten Weihnachtsfilme. Wir schmückten sogar unseren Frühstücksraum weihnachtlich.
Das Highlight der Vorweihnachtszeit sollte dann eine Tour mit Yoyo und Julia (die Camp-Inhaber) mit einer dieser typischen Touri-Bahnen durch den Ort darstellen. In der unfassbar kitschig dekorierten und dazu noch viel zu hell beleuchteten Bahn bestaunten wir dann das zugegeben wirklich schön weihnachtlich hergerichtete Figueira da Foz.
So sehr wir es auch versuchten, so sehr wir es auch wollten: Ein richtiges Weihnachtsgefühl sollte sich nicht einstellen.
Dafür fehlte der typischen Vorweihnachtsstress, bei dem sich alle Termine überschnitten und die verregneten 11°, die im deutschen Dezember ständiger Begleiter sind. Aber der eigentliche Grund, warum sich kein Weihnachtsgefühl einstellen sollte, war, dass wir Freunde und Familie nicht um uns herumhatten.
Vor unserer Reise dachten wir, dass die Weihnachtszeit schon nicht so schlimm werden würde. Wir machen es uns zu dritt richtig schön gemütlich, essen was Leckeres und sind im Herzen natürlich in der Heimat. So oder so ähnlich war zumindest die Vorstellung.
Ganz so einfach war es dann aber eben doch nicht. Weihnachten ist natürlich viel mehr als nur Heiligabend und die beiden darauffolgenden Tage.
Weihnachten ist gemeinsam Plätzchen backen (in meinem Fall eher Plätzchen essen) und gemeinsam Glühwein trinken. Weihnachten ist gemeinsam über den Weihnachtsmarkt schlendern, sich dabei zu beschweren, dass es viel zu voll und das Essen noch teurer als im Vorjahr ist, sich dann aber letztendlich dennoch den Bauch vollschlägt und noch ein zweites oder drittes Mal hinüberläuft.
Weihnachten ist gemeinsamer Brunch, Adventskaffee und am Feuer sitzen! Ach, ich liebe Weihnachten und könnte noch viele weitere Dinge aufzählen, die dieses Fest so besonders machen. Das Entscheidende an all dem ist allerdings das „Gemeinsame“. Alles, was wir so „Weihnachtliches“ unternommen haben, war irgendwo schön, aber eben nicht so, wie man es kennt und das lag einfach und allein daran, dass wir diese schönen Momente nicht mit unseren Liebsten teilen konnten.
Ein besonderer Hauch von Weihnachten wehte dann aber doch noch aus der Heimat hinüber. Uns wurden etliche Pakete ins Camp geschickt, welche neben Plätzchen und Stollen auch Bilder sowie andere persönliche Grüße enthielten.
Die Päckchen haben uns immer wieder ein dickes Grinsen aufs Gesicht gezaubert sowie glasige Augen bereitet.
Neben all den weihnachtlichen Auf und Abs gab es auch noch ein besonders Surf-Highlight. Wir fuhren nach Nazaré und schauten beim Big-Wave surfen zu. Dabei erlebten wir mit Wellen von einer Höhe bis zu 15 Meter ein verhältnismäßig kleinen Tag. Unvorstellbar, dass Menschen dort bereits Wellen gesurft sind, die nochmal zehn Meter höher waren. Der Lärm der Wellen und die Energie des Meeres waren am Tag unseres Besuches schon unfassbar beeindruckend bis hin zu furchteinflößend. Wahnsinn, dass sich Surfer dort ins Wasser wagen.
Ab Mitte Dezember begann dann unsere Zeit, in der wir für das Camp verantwortlich waren. Ich kümmerte mich um alle Aufgaben, die im Camp anfielen und Jessy versorgte die Haustiere.
Da nur noch vereinzelt Gäste anreisten, bestanden meine Hauptaufgaben in der Regel aus Rasen mähen, Pool reinigen und Laub haken. Ich genoss die Arbeiten und die damit verbundene Abwechselung sehr.
Die Herausforderung bestand auch viel eher an der Betreuung der wenigen Gäste, die noch eintrafen.
Zu den Gästen im Janga Wonderland sei gesagt, dass alle Personen, die wir dort kennenlernen durften, sehr interessant und speziell waren.
Bevor ich zu der Herausforderung, die mit diesem Umstand einhergeht, komme, möchte ich einen Gast, der vom Mitbewohner zum Freund wurde, genauer vorstellen.
Die Rede ist von Severin. Severin reiste Ende November an und war Anfang Januar, als wir abreisten noch immer da. Da er nicht nur das Zimmer gegenüber hatte, sondern wir uns auch Küche und Essensraum teilten, lebten wir sozusagen wie in einer WG zusammen. Wir, das Vanlife-Pärchen, welches Job und Wohnung aufgegeben hat, und Severin, der 51-jährige Junggeselle, der, wenn die Wellen nicht gerade rufen, einmal die Woche ein paar Stunden arbeitet und sich somit seine Wohnungen in der Schweiz und in Deutschland finanzieren kann. Eine ganz typische Janga-Wonderland-WG eben.
Mit Severin verbrachten wir etliche Stunden, führten endlose Gespräche und ließen uns durch seine Erfahrungen inspirieren. Das Ganze ging gar so weit, dass wir mit ihm zusammen unsere Lebensplanung angingen. Wir starteten eine Art fünftägiges Seminar, bei dem wir äußerst interessante Erkenntnisse erlangten, die unser zukünftiges Leben bestimmen sollen. Severin erweiterte dabei unseren Horizont und zeigte uns Wege und Möglichkeiten auf, die wir vorher nie in Betracht gezogen hatten. Die Begegnung kam für uns goldrichtig.
Eine weitere Begegnung, die auf gar keinen Fall unerwähnt bleiben soll, ist die mit Kasper und Malte.
Die zwei Dänen haben als Volunteers im Camp geholfen und uns dabei immer wieder zum Lachen gebracht. Nicht weil Kasper beispielsweise das Internetkabel beim Hecke schneiden durchtrennte, sondern weil die beiden einfach immer gut drauf waren, positive Energie ausstrahlten und mit Bescheidenheit sowie Understatement eine Besonderheit im Camp darstellten.
Aber nun zurück zu den Gästen. Warum waren diese nun eine Herausforderung?
Die Sache ist die: Wir waren bereits über einen Monat dort, haben immer wieder unsere Geschichte erzählt und uns unzählige spannende Geschichten der angereisten Gäste angehört. Alle Gäste, die ankamen waren natürlich darauf erpicht, Kontakte zu knüpfen und schöne Abende in geselliger Runde zu haben. Das kann man auch niemanden verübeln. Immerhin haben sie Urlaub. Wir fühlten uns allerdings von den ständigen neu „Kennenlernen“ irgendwann ausgelaugt und wollten unsere Ruhe.
Das Problem war nur, dass es mit sinkender Gästezahl keine eigentliche „Gästegruppe“ mehr gab. Es gab nur noch uns (und unseren Mitbewohner Severin natürlich) und jeder wollte was mit uns machen. Natürlich kocht man dann zusammen, trinkt mal ein Bierchen oder spielt eine Runde Billiard. Man möchte ja auch, dass alle eine gute Zeit haben, aber für uns war die Zeit eben enorm Energie raubend.
Zugespitzt hat sich diese Situation dann ausgerechnet an Heiligenabend. Wir und Severin planten schon unser Weihnachtsmenü, also Yoyo mir mitteilte, dass Heiligabend noch ein Gast anreisen würde.
Heiligabend mit einem komplett fremden Menschen, der keine Lust auf Weihnachten hat und daher Deutschland entflohen ist?
Nach der Nachricht schaute ich ein wenig bedröppelt auf den Weihnachtsbaum, den ich gerade über das ganze Camp-Gelände gezerrt und in unserem Essensraum ausgerichtet hatte.
Wir „feierten“ schließlich zu viert. Wir, Severin und der frisch angereiste Gast, der natürlich keine Lust auf Weihnachten, aber eben auf Gesellschaft hatte. Der Abend verlief somit wie die gesamte Vorweihnachtszeit: Wir versuchten alles, (Wirklich alles. Ich habe sogar Geschenke für alle besorgt und eingepackt) aber nach Weihnachten hat es sich nicht angefühlt.
Lediglich das Essen, welches Jessy gezaubert hat, wurde dem Fest gerecht. Nicht das es zu erwähnen wäre, weil es einfach selbstverständlich ist, gab es Heiligabend Kartoffelsalat und Würstchen. Am ersten Weihnachtsfeiertag bescherte sie uns dagegen einen herrlichen veganen Braten sowie Kartoffelpüree und Rotkohl. Einfach köstlich!
Alles in allem kann festgehalten werden, dass das Weihnachtsfest definitiv nicht als unser schönstes Weihnachten, aber als eines der besondersten in Erinnerung bleiben wird. Es ist eben das Fest der Liebe und somit sollte man auch seine Liebsten um sich haben.
Silvester verlief im Übrigen ähnlich: Auch da reiste ein neuer Gast an, der in einem Surfcamp ein feierwütiges Grüppchen erwartete. Dem gegenüber standen wir: Eine ausgelaugte Wohngemeinschaft, die keine neuen Stories mehr ertragen konnte.
Während sich Jessy, Severin und Sophie, ebenfalls frisch angereist, aber um einiges, ich nenne es mal „normaler“, kurz nach halb eins verabschiedeten, saß ich noch bis drei Uhr morgens, irgendwie tat er mir leid, mit ihm zusammen, trank seinen Champagner (Ja, Champagner) und hörte mir seine Geschichten an. Worum es ging? Ich weiß es nicht mehr. Ich wusste in diesem Moment aber, dass es höchste Zeit war, weiterzuziehen.
Weiterziehen. Das taten wir eine Woche später. Vorher jedoch unterzogen wir uns noch einer fünftägigen Fastenkur. (Wie das gelaufen ist, könnt ihr ausführlich hier nachlesen)
Wir reinigten nicht nur unsere Körper, sondern auch unsere Seelen und starteten somit gestärkt in das neue Jahr sowie in unseren nächsten Reiseabschnitt.
Die Freude über diesen Start wurde natürlich durch den Abschied von Yoyo und Julia und vor allem von unserem Mitbewohner Severin getrübt.
Die zwei Monate waren eben sehr intensiv, mit vielen Ups and Downs und mit dem Abschied empfanden wir diese Achterbahnfahrt noch einmal im Schnelldurchlauf nach.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Zeit unendlich lehrreich für uns war. Das Campleben und die vielen Begegnungen haben uns aufgezeigt, welche Möglichkeiten bestehen und dass man groß träumen kann bzw. sogar soll. Aber uns wurde eben auch vor Augen geführt, was nichts für uns ist und wovon wir uns lieber fernhalten sollten.
Außerdem hat uns die Zeit in der Beziehung vor Herausforderung gestellt, welche wir gemeinsam gemeistert haben und an denen wir somit als Paar gewachsen sind.
Zusammengefasst hatte das Janga Wonderland also alles für uns parat. Ein wahres Wunderland eben.
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