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#27.04.2022 bis 03.05.2022 – Welcome to the Philippines

Wusstet ihr, dass sich die Philippinen aus über 7.000 Inseln zusammensetzen, dort mehr als 170 unterschiedliche Sprachen gesprochen werden und sie mit ihren 110 Millionen Einwohner der fünfgrößte Inselstaat der Welt sind? Die Metropolregion rund um die Hauptstadt Manila ist mit ca. 24 Millionen Einwohner gar unter den Top 10 der weltweit größten Metropolen.

Diese Fakten haben nicht sonderlich viel mit unserer Reise zu tun, aber sie verdeutlichen ganz gut, was die Philippinen ausmachen: Alles ist sehr viel ist.

Viele Menschen, viel Verkehr, viel Hitze, viel Chaos, viel Lärm und nicht zu vergessen: Ganz viel Essen!

Und damit: „Welcome to the Philippines!”

 

Nachdem unsere Anreise überraschend sorgenfrei verlaufen ist – Jessy´s und meine Quote erfolgreicher Philippinenanreisen liegt nun bei 2 von 4 –, war unser erster Halt bei Jessy´s Familie in Manila, welche uns auch vom Flughafen abgeholt hat.

Auf dem kurzen Weg vom Terminal zum Van, stieg dann direkt der uns so vertraute Manila-Duft in die Nase.

Ihr wisst schon, einer dieser Gerüche, die in einem etwas auslösen: Gemähter Rasen, Sommerregen, Radiergummi, heimische Bettwäsche usw.

In Manila ist es für uns der Geruch von Abgasen alter Fahrzeuge; dieser Geruch, wenn beispielsweise in Deutschland ein altes Moped vorbeifährt.

Für uns steht dieser Geruch in Verbindung mit den Philippinen und in Kombination mit der brütenden Hitze sowie dem grenzwertigen Geräuschpegel wurde uns bewusst, dass wir angekommen waren.

 

Für die ca. 20 Kilometer vom Flughafen zu unserem vorübergehenden zu Hause benötigten wir gute zwei Stunden. Ein weiteres Markenzeichen Manilas. Es ist einfach immer Stau.

Untergekommen sind wir wie immer bei Jessy´s Tante Maritess. Maritess, als eine Schwester von insgesamt zwölf Geschwistern, sowie die restliche auf den Philippinen verbliebene Familie lebt in Quezon City, eine Stadt die unmittelbar in Manila übergeht.

Vorweg sei erwähnt, dass die Familie eher aus ärmlichen Verhältnissen stammt. Sie ist, wie so viele Filipinos, vor vielen Jahren vom Land in die Großstadt gezogen, da es dort mehr Möglichkeiten gibt, Geld zu verdienen. Ein Großteil der ländlichen Bevölkerung gilt als arm.

Generell ist die Schere zwischen arm und reich extrem groß und gerade in Manila wird dieses Bild sehr deutlich. Von den Hügeln der ärmlichen Bezirke lassen sich herrlich die Wolkenkratzer des noblen Makatis, dem dekadenten Protzviertel Manilas, bewundern.

Die Familie lebt also sehr einfach.

Von der Hauptstraße führt ein kleiner Abzweig in einen Nebenarm, wo alle Geschwister ihre Heimat haben.

Insgesamt leben dort noch jeweils drei Onkel und drei Tanten mit ihren Kindern. Auch dazu sei ergänzt, dass die Geburtenrate deutlich höher ist als beispielsweise in Deutschland.

Jessy hat dort bestimmt um die 40 Cousins und Cousinen, von denen viele wiederum ebenfalls schon Kinder haben.

Jeder Onkel bzw. jede Tante hat ein Haus mit maximal zwei bis drei Räumen. Tagsüber wird dann in diesen Räumen gelebt wogegen nachts auf dem Boden Matratzen ausgebreitet werden.

Privatsphäre? Fehlanzeige.

Maritess hat allerdings ein größeres Haus, in dem wir unser eigenes Zimmer haben, welches sogar klimatisiert ist.

Die Tatsache, dass so viele Menschen auf so engem Raum zusammenleben (müssen), mag erstmal erschreckend sein, ist hier aber ganz normal.

Das Schöne Daran ist, ist, dass die Bindung der Familie eine ganz andere ist, als wir es beispielsweise aus Deutschland kennen.

Apropos Familienbindung: Die vielen Kinder sind nicht nur ein Zeichen von viel Liebe und Zärtlichkeit, sondern schlicht und einfach die Rentenversicherung bzw. die Altersvorsorge.

Nur 13% der Filipinos erhalten eine Rente, die im Schnitt 1.600 Peso im Monat beträgt. Das sind umgerechnet knapp 29 € und ja, das ist auch für die Philippinen nicht viel.

Und daher lebt auch Jessy´s Oma bei ihren Kindern.

Und da ich gerade ohnehin dabei bin so viele Zahlen und Fakten über die Philippinen auszupacken, mache ich einfach gleich weiter.

Das Wirtschaftssystem funktioniert nur, weil so viele Filipinos im Ausland leben bzw. arbeiten und ihre Familien in der Heimat finanziell unterstützen.

Das beste Beispiel dafür liefert Jessy´s Mutter, die ein Großteil ihres verdienten Gehalts direkt weiter auf die Philippinen schickt.

Davon werden dann die Häuser aufgestockt, neue Geschäftsfelder erschlossen oder schlicht und einfach Essen gekauft.

 

Auch wenn es in diesem Beitrag eigentlich um unsere Reise gehen soll, sind diese Informationen einfach wichtig, um halbwegs nachvollziehen zu können, wie dieses Land funktioniert und wie die Menschen hier ticken.

Eine weitere philippinische Besonderheit, die ich unbedingt noch erwähnen muss, ist Essen. Essen ist so immens wichtig und egal, wo man hinkommt, alles dreht sich um Essen.

Daher wurden wir nach unserer Ankunft auch erstmal an den Tisch gesetzt und fleißig bekocht.

Die Filipinos essen in der Regel zu jeder Mahlzeit Reis. Dazu gibt es morgens oftmals Trockenfisch oder Ei. Mittags und abends werden Fleisch oder Fisch in unzähligen Varianten zubereitet. Für die Familie war es zunächst ein kleiner Schock, als wir sagten, dass wir uns vegetarisch ernähren, aber nach und nach haben sie gemerkt, dass man neben den ohnehin schon leckeren vegetarischen Gerichten auch bei weiteren unzähligen Gerichten Fisch und Fleisch einfach weglassen kann und sie trotzdem noch ganz köstlich schmecken.

Auf jeden Fall wurden wir jeden Tag reichlich bekocht und regelrecht zum Essen genötigt.

Nach einer Woche haben wir dann allerdings realisiert, dass sich das auch langsam auf unsere Körper auswirkt und wir etwas kürzertreten müssen.

Für mich ist dabei ein Rätsel, wieso die Filipinos so zierlich sind. Die Menge Reis, die Jessy´s Cousins und Cousinen alleine zum Frühstück verdrücken, schaffe ich gerade so über den Tag verteilt.

 

In den ersten Tagen in Manila genossen wir es einfach mal keinen Plan zu haben und nicht diesen zeitlichen Druck ausgesetzt zu sein, der bei unseren vorherigen Besuchen immer auf uns lastete.

Wir hatten gut drei Wochen Zeit, bevor es für uns für knapp einen Monat auf unsere Lieblingsinsel Siargao gehen sollte.

Wir wollten vorher lediglich nochmal ein paar Tage in den Norden und ansonsten eben Zeit mit der Familie verbringen und gerade den Kindern etwas Gutes tun.

 

Dafür hatten wir uns gedacht, Overnight-Swimming zu organisieren. Overnight-Swimming, so wird das auf den Philippinen genannt, ist im Prinzip nichts anderes als wegzufahren, sich ein Haus mit Pool bzw. am Strand zu mieten und im Wechsel zu baden und zu essen. Gerade als wir uns an die Planung machen wollten, kam allerdings ein Anruf aus Deutschland. Jessy´s in Deutschland lebende Tante hat ein Haus auf den Philippinen gefunden, welches sie gerne kaufen wollte.

Das Haus war in Bicol, der Provinz, wo die Familie ihre Wurzeln hat. Wir hatten Bicol bei unserem letzten Aufenthalt besucht und hatten daher eigentlich nicht geplant, dorthin zu fahren, zumal wir für die 500 Kilometer lange Strecke ca. 16 Stunden gebraucht haben.

Aber was solls? Es ist wunderschön dort und viel Zeit hatten wir bei unserem letzten Besuch nicht. Daher entschieden wir, dass wir mit zwölf weiteren Leuten nach Bicol fahren.

 

Dann ging die Planung los.

 

Planung ist so eine Sache auf den Philippinen. Wir als Deutsche mögen ja in der Regel Ordnung und Struktur. Filipinos sind da etwas anders eingestellt.

Wenn etwas umgesetzt werden soll, passiert ganz viel auf einmal. Alle schreien, alles ist hektisch, alle machen irgendwie das Gleiche, aber irgendwie dann auch doch nicht. Für mich ist es schwierig dort Ordnung zu finden und daher versuche ich einfach so wenig wie möglich zu hinterfragen. Man benötigt ein gewisses Grundvertrauen. Diese Vorgehensweise ist im Übrigen Jessy´s bevorzugte Vorgehensweise Dinge umzusetzen. Am Ende wird eben alles gut.

Nun ja, ob Struktur oder nicht, auf jeden Fall war nach zehn Minuten alles organisiert.

Der Familien Van (übrigens von Jessy´s Mutter bezahlt), der bereits für das Wochenende vermietet war, wurde kurzerhand zurückbeordert, ein Haus wurde gebucht und ein Fahrer organisiert. Noch in der Nacht sollte es losgehen.

Glücklicherweise wurde vor der Abfahrt nochmal beim Verkäufer des Hauses angerufen, denn es hat sich herausgestellt, dass das Haus bereits verkauft war.

Der ganze Aufwand war umsonst.

 

Also doch Overnight-Swimming.

Und wieder hieß es: Hektik.

Und nach kurzer Zeit war alles geklärt. Am nächsten Morgen sollte es um zwei Uhr losgehen.

Aber erneut gab es einen kleinen Haken: Es wurde nicht bedacht, wie wir anreisen. Für 32 Leute standen ein PKW und der Zwölfsitzer bereit. Hinzu kam das ganze Essen, was im Vorfeld bereits eingekauft wurde und auch irgendwie transportiert werden musste.

Nun wie gesagt, man benötigt ein gewisses Grundvertrauen. Am Ende drängten sich für die ca. fünfstündige Fahrt 24 Leute in den Van, aber beklagt hat sich darüber niemand. Alle waren einfach froh und glücklich etwas zu unternehmen. Und letztendlich haben wir diesen Ausflug auch genau aus diesem Grund gemacht.

Für uns war es kein Highlight im Sinne von: „Wow, was für atemberaubende Natur und was für ein toller Ort“. Für uns ging es letztendlich nur darum, der Familie etwas zu geben, was sie sich sonst nicht leisten können und ihr ein schönes Wochenende zu bescheren.

Witzig war es aber allemal. Vor allem als ich drei Uhr morgens auf Toilette musste und dadurch Jessy´s Tanten beim Kochen erwischte. Sie bereiteten schon mal das Frühstück vor.

Vier Uhr wollten sie dann wieder schwimmen gehen. Und tatsächlich, als ich morgens halb sechs zum Strand ging, traute ich meinen Augen nicht. Es sah aus wie 16 Uhr am Strand von El Arenal.

Overnight-Swimming halt.

 

Vom Ausflug zurück, machten Jessy und ich uns dann direkt an die Planung für unseren nächsten Trip. Nach einer Woche im Wahnsinn Manilas war es an der Zeit, uns wieder mit der Natur zu verbinden. Wir wollten unbedingt den Norden bereisen und u. A. die größten Reisterrassen der Welt besichtigen. Doch dazu mehr im nächsten Beitrag.

 

Auch wenn es kaum möglich ist, Worte zu finden, die diesen wundervollen Menschen hier gerecht werden bzw. halbwegs verdeutlichen können, wie es hier tatsächlich zu geht, hoffe ich dennoch, dass ich euch ein klein wenig abholen konnte. Um aber wirklich begreifen und glauben zu können, muss man dieses Land einfach mit eigenen Augen sehen.

 

 

Jessy, Flori & mit Eddie im Herzen


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Kommentare: 1
  • #1

    Anne (Mittwoch, 22 Juni 2022 11:41)

    Wow, danke für den tollen spannenden Text über die Lebensweise auf den Philippinen. Du hast so mitreißend geschrieben, dass es total Spaß gemacht hat, bis zum Ende zu lesen, obwohl ich lange Texte selten zu Ende lesen mag, weil ich oft nicht gern lese.

    Ich konnte nun meinen ersten kleinsten Eindruck über die Philippinen lesen. Habe bisher keine Verbindung zu diesem Land und bin euch deshalb super dankbar.

    Und wieder denke ich fast beschämt.... Mensch, über was wir uns in anderen reichen Ländern Gedanken machen, statt noch viel mehr zu LEBEN. Aber durch das Reisen und Kommunizieren können wir unsere Lebenserfahrungen bereichern und wachsen, wachsen, wachsen. Und das ist sehr wertvoll.

    Ich schicke euch ganz herzliche Grüße aus Münster, Westf.